
Die Restaurator*innen fördern Verborgenes hervor
10. Mai 2022
Baustellenführung in der Stiftskirche zum Welterbefest
23. Mai 2022Der Eindruck ist überraschend unzeitgemäß. Tritt man zurzeit in den Innenraum der Stiftskirche, meint man - einmal abgesehen von den Metallgerüsten - zur Zeit der Renaissance in einer immensen Künstlerwerkstatt zu stehen.
Keine überdimensionierten Maschinen mehr, kein Baulärm, stattdessen Stille.
Restauratoren in weißen Kitteln an den verschiedenen Kunstwerken in der Kirche. Die Stromkabel sind gelegt, die Techniker arbeiten nun im Dachbereich. Im Wesentlichen geht es im Kircheninneren nun um Reinigungs- und Ausbesserungsarbeiten, die Restauratoren haben Pinsel in ihren Händen, Spatel, kleine Schäufelchen, Dampfreiniger. Es geht darum, den Staub der Jahrzehnte, dem nie zu Leibe gerückt werden konnte, abzutragen.
Die wichtigsten Stellen, um die sie sich kümmern, sind das Grabmal des „Türkenlouis“, das einen Großteil der rechten Seite des Chores einnimmt. Dann die Grabplatten im Chor, vor dem großen Steinkreuz. Hier muss gesichert, entsalzt, stabilisiert werden. Die Mineralien des thermalen Grundwassers haben über die Jahrhunderte ganze Arbeit geleistet.
Auf der linken Seite das wundervolle Sakramentshäuschen. Filigraner Sandstein, schwerelos, durchbrochen wir Brüsseler Spitzen. Auf mehreren Gerüststockwerken reinigen Restauratoren den Stein, ersetzen kleinere Fehlstellen. Jetzt, wo man genauer hinsehen kann, entdeckt man Details. Biogene Formen, der Stamm Jesse, wo man bisher nur aufstrebende Steinskulpturen wahrnahm.
Dann, an der höchsten Stelle des Triumphbogens, der das Kirchenschiff vom Chor trennt, das Wappen des Hauses Baden. Auch hier wird die enorme Kunstfertigkeit, die das Werk ausdrückt, nun besser sichtbar, seine Farbigkeit, das freischwingende goldene Fließ, ein Widderfell, frisch vergoldet.
Schließlich die Emporebrüstung im hinteren Teil des Kirchenschiffs, vor der hermetisch eingeschalten Orgel. Die wundervollen eisernen Stützen, reinstes Barock, werden gesichert, gereinigt, kleine Fehlstellen, etwa bei den Metallgirlanden, werden ersetzt.
Zum Schluss: der Bauausschuss arbeitet daran zu ermöglichen, dass Besucher die innere Verwandlung ihrer Kirche miterleben können.
Hoffen wir, dass diese Möglichkeit in den nächsten Wochen Wirklichkeit werden kann.
Georg Platz