
Die Renovierungsarbeiten gehen weiter
18. Oktober 2022
Das große Epitaph für den „Türkenlouis“
15. November 2022Manchmal stelle ich mir vor, wie über Jahrhunderte Menschen zu diesem heiligen Ort am Berg liefen: mit schlechten Schuhen, bei Wind und Wetter, frühmorgens, sonntäglich, aus der ganzen Umgebung des badischen Schlosses kommend; wie sie am Ende müde noch die holprige Steinstraße oder die steile Hirschstraße vor sich hatten und sich dann die Turmfassade der Kirche vor ihnen erhob, fast abweisend, der Turm wuchtig und steil aufragend und wie ein Finger auf den Himmel zeigend, das selige Ende des irdischen Weges.
Später, 1463, hat Markgraf Jakob seinen frommen Untertanen ein Begrüßungskomitee an das nackte Portal gestellt, eines, das Mut macht:
mit Paulus, der als Saulus erst bekehrt werden musste, wie wir; mit Petrus, der den Herrn verriet, bitterlich über sich selbst weinte und nun das Himmelreich aufschließen darf; mit Veronika, die dem Eintretenden auf ihrem steinernen Leintuch das Antlitz Jesu entgegenhält, das „vera icon“, das wahre Gesicht, und uns vergewissert: es ist wahr, was Du glaubst, ich war auf dem Kreuzweg nach Golgotha dabei.
Unter dem Petrus, quasi ihn stützend, zwei viel kleinere Propheten, Zeugen des alten Testamentes, Boten Gottes, nicht weniger bedeutsam für den Glauben. Und auf der anderen Seite, den so sympathisch-irdischen Paulus stützend, der Engel der Verkündigung, der Maria die frohe Botschaft bringt: sie wird Jesus zur Welt bringen, und damit beginnt das neue Testament. Diese Maria ist wie wir Mensch: irdisch, überrascht, überfordert und demütig. Hoch oben über allem leuchtet die heilig gewordene Maria, die Himmelskönigin der Stiftskirche Liebfrauen.
Was für ein Bildprogramm! Was für eine Botschaft! Für den letzten Zweifler setzt der Markgraf sein Wappen, sein Siegel darüber: auch er glaubt, wie alle seine Vorfahren, die in der Stiftskirche ihr Grab gefunden und diese Kirche gestiftet haben.
Noch einmal schaut unser jahrhundertealter Kirchgänger hinauf: oben winkt der goldene Petrus mit seinem Schlüssel, und getrost tritt der Gläubige durch das Portal in die dunkle Höhle des Turmes. Das gotische Kirchenschiff empfängt ihn erst danach, Schnittstelle zwischen „hier unten“ und „dort oben“.
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