
Glockenkonzert – Ablaufplan
27. November 2020
Geschichte & Geschichten
21. Dezember 2020Steine sind das Metier von Luzius Kürten, seit er 18 ist. Zunächst absolvierte er eine Lehre zum Bildhauer und Steinmetz, später studierte er Steinkonservierung in Köln, seit über 20 Jahren ist nun als selbstständiger Diplomrestaurator tätig. Ob Skulpturen im Karlsruher Schloss, Stuckarbeiten im Benediktinerkloster Ottobeuren oder der Glockenspielpavillon im Dresdner Zwinger, Luzius Kürten ist deutschlandweit im Einsatz. Beim Freiburger Münster leitete er die Restauration – und zwar ganze zehn Jahre lang. Die Arbeiten am Turm der Stiftskirche Baden-Baden sind im Vergleich dazu mit einem Dreivierteljahr eher kurz ausgefallen ...
Herr Kürten, Sie sind nun fertig mit Ihren Arbeiten am Turm der Stiftskirche. Wie lief es denn?
Sehr gut. Ich und meine beiden Mitarbeiter, wir freuen uns sehr, dass wir termingerecht vor Einsetzen des Frosts fertig geworden sind. Denn am Stein sollte man nur arbeiten, wenn die Temperatur über 5 Grad liegen.Gab es für Sie Überraschungen?
Nun, vor Überraschungen waren wir größtenteils gefeit. Denn wir arbeiten auf der Grundlage einer Bestands- und Schadenserfassung und Kartierung. Bei einer Fahrt mit einem Hubsteiger wurde der Turm im Vorfeld genau in Augenschein genommen und kartiert, welche Steinarbeiten wo zu machen sind. Welche Steine können restauriert werden – mein Job – und welche Steine müssen ausgetauscht werden – die Arbeit der Steinmetze, die im Übrigen rund 20 Kubikmeter Stein zu ersetzen hatten.
Die einzige Überraschung war, dass sich herausgestellt hat, dass die Steine des Portals, die in den 70ern ausgetauscht wurden, in der Vergangenheit einmal hydrophobiert worden sind. D. h. sie wurden mit einem wasserabweisenden Mittel behandelt. Das führt leider dazu, dass sich 1-2 Millimeter dicke Schalen ablösen. Leider kann man diese Chemikalien heute nicht wieder „herausziehen“.
Herr Kürten, Sie haben Ihr Leben dem Material Stein verschrieben. Was fasziniert Sie daran?
Stein ist ein wunderbares Naturmaterial und einer der ältesten Baustoffe der Menschheit. Für mich ist Stein alles andere als totes Material. Ich sehe ja täglich, wie jeder Stein anders auf Umwelteinflüsse reagiert.
Wie ist denn die Qualität der Steine am Stiftskirchenturm im Großen und Ganzen?
Das historische Material, das im Sockelbereich ja rund tausend Jahre alt ist, ist an für sich von sehr guter Qualität. Damals baute mit Naturstein aus Steinbrüchen die ca. 30 km Umfeld lagen, man konnte sich ja noch nicht wie heute Steine aus aller Welt liefern lassen.
Das ist ein großer Vorteil, denn je mehr unterschiedliche Steine an einer Fassade sind, desto mehr ist dort los. Jeder Stein reagiert ja anders auf Witterungseinflüsse. Jedenfalls machten uns die später neu angebrachten Steine weitaus mehr Probleme als das historische Material.
In den 70ern/80ern wurden dünne Steinplatten mit 4 cm Stärke vor die historischen Steine gesetzt, um diese zu schützen. Diese Platten waren jetzt, nur wenige Jahrzehnte später, schon so schadhaft, dass sie fast alle rausgebrochen und durch dickere Steinplatten ersetzt werden mussten. Da hatten die Steinmetze jede Menge zu tun.
Und in welchem Bereich hatten Sie am meisten zu tun?
Am Portal und in den oberen acht Metern des Achteckturms war der Stein am stärksten geschädigt, hier waren viele konservatorische Maßnahmen notwendig. Generell sind wir meistens überwiegend an der Westseite und Südseite im Einsatz, weil dort die Witterung am stärksten hinschlägt.
Worin genau besteht im Kern Ihre Arbeit?
Wir sind diejenigen, die versuchen, den Stein zu konservieren. Im Grunde genommen heißt das, ihn vor dem Eindringen von Feuchtigkeit zu bewahren. Denn diese bringt ja immer auch Schadstoffe mit wie bauschädliche Salze, die im Stein großen Druck ausüben und seine Matrix zerstören. Es geht bei unserer Arbeit darum, möglichst viel der originalen Substanz zu erhalten und so aufzubereiten, dass der Zahn der Zeit wieder für eine ganze Weile darüber gehen kann.
Und wie gehen Sie bei einer Restaurierung vor?
Ich schau mir ganz genau an, was mit dem Stein jeweils los ist. Welchen Schaden hat er, sind die Risse statisch- oder materialbedingt? Welche Restaurierungen wurden bisher an ihm vorgenommen, liegt eine Bindemittelarmut vor? Und dann behandle ich jeden Stein individuell.
Und welche Behandlungsmöglichkeiten haben Sie?
Zunächst einmal nutzen wir für den Stein genau abgestimmtes Restaurierungsmaterial. Bindemittelarme Bereiche werden gefestigt – je nach Intensität des Schadens mit unterschiedlichen Konzentrationen und Applikationen. Größere und kleinere Risse werden injiziert, mit Spritzen und Schläuchen. Dabei verwenden wir für sehr schmale Risse kleinere Korngrößen und für breite Risse größere Korngrößen. Kleinere Fehlstellen wurden an der Stiftskirche mit einer eigens farblich abgestimmten Kittmasse aus farbigen Sanden und dem Bindemittel Kieselsol ergänzt. Größere Fehlstellen werden mit einem herkömmlichen farblich angepasstem Restauriermörtel geschlossen.
Das klingt ja wie in einer Schönheitsklinik, dann sind Sie sozusagen der Steine-Doc?
(Lacht) Ja, das kann man wohl so sagen. Und wenn kleine Stücke abgebrochen sind, dann ergänzen wir die fehlenden Teile in Absprache mit allen Beteiligten, in diesem Falle auch mit dem Landesdenkmalamt. Bei der Stiftskirche haben wir beispielsweise auch einen Teil der Strahlen der Sonnenuhr reprofiliert, damit diese wieder „ticken“ kann.
Was hat Ihnen denn an dem Turm der Stiftskirche besonders gut gefallen?
Zunächst einmal hat mir das Konzept der Planer zugesagt: Es wurde darauf geachtet, dass so wenig wie möglich originaler Stein ausgetauscht werden muss. An dem von uns überwiegend behandelten Bauabschnitt gefällt mir das schöne Farbspiel sehr gut – man erkennt hier gut die einzelnen Steine mit ihren unterschiedlichen Bauphasen. Und von den Figuren am Portal wird mir die Maria in Erinnerung bleiben. Sie hebt ihren Rock und darunter kommt Jesus zum Vorschein.
Was bleibt jetzt noch für Sie zu tun?
Ich muss noch die Dokumentation mit Beschreibungen und Bildern erstellen – das mache ich von meinem Schreibtisch in Freiburg aus. Doch werde ich in nächster Zeit noch einige Male in Baden-Baden sein – für Restaurierungsarbeiten an der Trinkhalle. Hier geht es um Terrakotta-Stein. Jedes meiner Restaurationsobjekte ist einmalig und stellt besondere Aufgaben. Wie gesagt, Stein ist lebendig – und für mich jedenfalls spannender anzuschauen als eine Blumenwiese.